Betreff
Hangrutsch im Bereich der Grundstücke FlNrn. 994/1 und 994/13 Gemarkung Neunhof zwischen Holzgrabenstraße und Steinbruchstraße, Gutachten des TÜV Rheinland LGA Bautechnik GmbH
Vorlage
FB 4/037/2011
Aktenzeichen
FB 4/9120/Ne
Art
Informationsvorlage_alt2

Im März 2011 hat die Verwaltung zum ersten Mal dem Bauausschuss ausführlich über einen Hangrutsch in Neunhof berichtet. Ein Jahr zuvor war im Fachbereich 3 (Öffentliche Sicherheit) ein Deckeneinbruch bei den Felsenkellern in Neunhof auf dem städtischen Waldgrundstück FlNr. 994/1 gemeldet worden. Auf die Informationsvorlage vom 22.02.2011 wird zur Erinnerung verwiesen.

 

Der Fachbereich 4 hatte deshalb im April 2010 eine erste geologische Untersuchung in Auftrag gegeben und die im Abschlussbericht vorgeschlagenen Maßnahmen, nämlich

  1. weitere Beobachtungen anhand von Nägeln in der Hof- und Verkehrsfläche

    angeordnet und über das Ingenieurbüro Meyer & Schmidt beauftragt

    und

  2. als Sofortmaßnahmen

 

zur Entlastung des Hangs und Verhinderung einer zunehmenden weiteren Schwächung des Gebirges durch die aufweitende Wirkung der Wurzeln das Fällen zumindest der oberhalb der vorhandenen Bebauung befindlichen Bäume veranlasst.

  1. Der Eigentümerin des ebenfalls betroffenen Nachbargrundstücks FlNr. 994/13 wurde das Gutachten weiter geleitet mit der Aufforderung, die auf ihrem Grundstück empfohlenen Maßnahmen

·         Sicherung der Mauer im Hofbereich

·         Entkoppelung des Wohngebäudes im südwestlichen Grundstücksbereich (Küche) vom Hang zur Reduzierung der unmittelbaren Einwirkung der hangabwärtigen Kräfte auf das Bauwerk

·         Dokumentation und Überwachung der vorhandenen Bauwerksschäden, z. B. durch das Setzen von Gipsmarken in den Gebäuden

·         Überprüfung der Statik der Wohngebäude sowie der Dichtigkeit der Gasleitungen

durchzuführen.

 

Bereits damals empfahl der Gutachter, Herr Dr. Tarasconi, dessen Erkenntnisse auf einer Handbohrung basieren, weitere Untersuchungen durch den TÜV Rheinland LGA Bautechnik GmbH, sollten die Sofortmaßnahmen nicht greifen. Dieses Gutachten wurde nach entsprechendem Beschluss durch den Bauausschuss in der Sitzung am 02.03.2011 beauftragt, nachdem sich die Situation im Januar 2011 deutlich verschärft hatte. Näheres dazu ist in der oben bereits zitierten Beschlussvorlage nachzulesen.

 

Inzwischen liegt der Verwaltung dieses Gutachten vor. Kurz und knapp zusammen gefasst kommt der TÜV Rheinland LGA GmbH zu folgendem Ergebnis:

 

„In Abhängigkeit von den Niederschlagsverhältnissen kann in naher Zukunft eine weitere Beschleunigung des Hangkriechens stattfinden. Ein Fortschreiten der Bauwerksschäden, Straßenschäden und eine Beschädigung von Versorgungsleitungen sind zu erwarten.

Nach besonders ungünstigen hydrologischen Perioden ist auch ein plötzliches und ruckartiges Abrutschen des Hanges jederzeit möglich. Eine sofortige Sicherung des Hanges ist daher angezeigt.

Diese Risikoeinschätzung gilt sowohl für den betroffenen Bereich der öffentlichen Fläche als auch für die betroffenen Privatgrundstücke.“

 

Der TÜV Rheinland hat verschiedene Sanierungsmöglichkeiten beleuchtet. Grundsätzlich unterscheidet er zwischen erdbaulichen Maßnahmen und konstruktiven Maßnahmen.

 

Erdbauliche Maßnahmen wären

 

  1. Geländeabtrag
  2. Geländeanschüttung
  3. Hydrozementation / Rigolen
  4. Stützscheiben aus Boden-Zementgemisch, hergestellt mit dem Düsenstrahlverfahren (DSV-Verfahren)

 

Konstruktiv könnte eine Pfahlwand und Rückhängung mit Mikropfählen errichtet werden.

 

Als aussichtsreiche Verfahren hat der TÜV Rheinland das DSV-Verfahren und die Errichtung einer Pfahlwand näher untersucht, mit Hilfe erdstatischer Berechnungen vordimensioniert und überschlägige Kosten dafür ermittelt. Zwischen den beiden Methoden errechnet er allerdings nur eine im Verhältnis zu den Gesamtkosten relativ geringe Differenz von 30.000 €.

 

Bei beiden Varianten ist eine zusätzliche Beräumung lockerer und nicht mehr standsicherer Felsbereiche im Böschungsbereich (z. B. oberhalb des Carports) durch eine Spezialfirma erforderlich. Die Kosten dafür sind in der Kalkulation noch nicht berücksichtigt.

 

Der Fachbereich 4 kommt zu der vorsichtigen Schätzung, dass die gesamte Maßnahme mit einem Kostenaufwand von mindestens 500.000 € verbunden sein dürfte. Der TÜV Rheinland weist abschließend darauf hin, dass allein durch eine Teilsanierung des Rutschhanges auf dem städtischen Grundstück FlNr. 994/1 eine Gefährdung der öffentlichen Flächen nicht vollständig auszuschließen sei. Eine vollständige Sanierung des Rutschhanges über die gesamte Breite von ca. 60 m sei unbedingt anzustreben.

 

Die Verwaltung hat u. a. aufgrund dieser hohen Kosten und der Tatsache, dass mindestens die Hälfte des Rutschhanges im Privateigentum steht, noch einmal das Landesamt für Umwelt um eine technische Beurteilung des Gutachtens gebeten. Es ist mit hoher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass die Eigentümerin des Grundstücks FlNr. 994/13 den sie treffenden Anteil der Sanierungskosten – selbst nach einer entsprechenden sicherheitsrechtlichen Anordnung und Verpflichtung – nicht wird übernehmen können.

 

Mit Schreiben vom 18.07.2011 stellt das Landesamt fest, dass die Ergebnisse des TÜV Rheinland  schlüssig und nachvollziehbar sind. Wörtlich heißt es:

 

„Die Hangbewegungen werden sich auch in Zukunft fortsetzen. Ein Sanierungsbedarf ist nach den vorliegenden Untersuchungsergebnissen aus unserer Sicht dringend gegeben, um nicht die öffentlichen Flächen, die Infrastruktur sowie die angrenzenden Grundstücke und Gebäude langfristig zu gefährden.“

 

Allerdings vertritt das Landesamt die Auffassung, dass neben den beiden konkreter untersuchten Sanierungsvarianten auch die angesprochenen Erdbaumaßnahmen „Geländeabtrag“ sowie „Geländeanschüttungen“ untersucht und mit einer Kostenschätzung belegt werden sollten. Ein plötzliches ruckartiges Abrutschen des Hanges sei aus Sicht des Landesamtes im Gegensatz zu den Aussagen im Gutachten nicht zu erwarten, da die Bewegungen in den entfestigten Feuerletten (bindiges Lockergestein), wie nachgewiesen, langsam ablaufen. Mit dem Absturz einzelner am Hang lagernder Sandsteinblöcke müsse allerdings gerechnet werden.

 

Der TÜV Rheinland wurde daraufhin von der Verwaltung gebeten, zum Schreiben des Landesamtes Stellung zu nehmen. In dessen Stellungnahme vom 07.09.2011 wird erläutert, dass eine weitere Berechnung zur Standsicherheit durch Geländeauftrag ergeben hat, dass die Standsicherheit selbst durch einen aufgeschütteten Eckkeil mit ca. 12° Böschungsneigung nicht sicher gestellt werden kann. Das bedeutet, dass die Böschung deutlich flacher hergestellt werden müsste, dafür aber die notwendigen Flächen nicht vorhanden sind. Ein Geländeabtrag ist unter den vorhandenen Randbedingungen (schlechte Zufahrt, vorhandene Bodeneinbrüche, bebaute Flächen und steiles Gelände) nur mit erheblichen kostenintensiven Arbeiten möglich.

 

Eine vom Landesamt für Umwelt vorgeschlagene Anwendung der Beobachtungsmethode nach DIN EN 1997-1 und DIN 1054 (u. a. messtechnische Überwachung) hält der TÜV Rheinland für inakzeptabel, da die Rutschungen nicht längerfristig und dauerhaft abgeklungen sind. Da auch die Möglichkeit des plötzlichen Versagens der Standsicherheit (= plötzlicher Abrutsch) nicht auszuschließen ist, ist eine messtechnische Überwachung bei gleichzeitiger Reduzierung der Sicherheitsbeiwerte nicht zielführend.

 

In Zusammenarbeit mit dem Fachbereich 5, Tiefbau, wurden parallel zur Erstellung des Gutachtens die Veränderungen im Hangbereich laufend kontrolliert und fotografisch dokumentiert. Diese Beobachtungen bestätigen das stetige Abrutschen des Hangs. Die Abwärtsbewegungen haben nicht nachgelassen. Im Februar 2011 wurde eine einsturzgefährdete Scheune zum Schutz der öffentlichen Flächen abgebrochen und im Wendehammer der Holzgrabenstraße entlang des Hangfußes eine Schutzzone abtrassiert. Weiterhin fanden umfangreiche Untersuchungen in den Kellergewölben und entlang einer Quellleitung statt. Zuletzt musste der vom Erddruck aufgewölbte Straßenasphalt längsseits der Holzgrabenstraße zur Entlastung des seitlich einwirkenden Erdruckes (Einengung der Straße bereits ca. 30 cm) aufgebrochen werden. In diesem Bereich wurde auch eine Station der N-ERGIE beschädigt.

 

Insgesamt betrachtet sieht die Verwaltung einen dringenden Handlungsbedarf. Sollte der Winter 2011/2012 ähnlich streng verlaufen wie im Vorjahr, könnte der Hang sich noch schneller bewegen. Gefährdet sind dann nicht nur die beiden am Hangfuß angrenzenden Wohnbaugrundstücke FlNrn. 994/17 und 994/13- das Gebäude auf dem letzteren ist bereits nicht mehr bewohnbar und geräumt -, sondern auch die in der Holzgrabenstraße verlaufenden Ent- und Versorgungsleitungen. Besonders gefährdet ist auch die Station der N-ERGIE auf dem Grundstück FlNr. 994/14. Sollte hier ein Schadensereignis auftreten, wäre ein großer Teil Neunhofs ohne Stromversorgung.

 

Dieser Bericht dient zunächst zur Information. Die Verwaltung bittet bereits jetzt darum die notwendigen Mittel für die Hangsicherung im Haushalt 2012 bereit zu stellen und wird zusammen mit dem TÜV Rheinland möglichst kurzfristig eine Leistungsbeschreibung erstellen. Danach werden Kostenangebote von geeigneten Firmen eingeholt, die dem Bauausschuss und Stadtrat zur Beschlussfassung vorgelegt werden.