Betreff
Vollzug des Bayerischen Straßen- und Wegegesetzes,
Einziehung von Ortsstraßen ("Entlastungsstraße Industriestraße" u. "Langwiesenstraße")
Vorlage
FB 4/013/2017
Aktenzeichen
FB 4/631/Kur
Art
Beschlussvorlage

Beschlussvorschlag:

 

Der Bau-, Umwelt- und Stadtentwicklungsausschuss beschließt

 

Aufgrund der Art. 3 Abs. 1 Ziff. 3 u. 4, Art. 8 Abs. 1 u. 2, Art. 46 und Art. 58 Abs. 2 Ziff. 2 des Bayerischen Straßen und Wegegesetzes werden die folgenden Ortsstraßen eingezogen:

 

1. „Entlastungsstraße Industriestraße“

 

Die auf der östlichen Seite des Industriegebietes im Bebauungsplan Nr. 14 verlaufende Ortsstraße „Entlastungsstraße Industriestraße“ Straßenzug Nr. 444 Blatt Nr. 494 wird auf ganzer Länge mit Wirkung zum 01.01.2018 eingezogen, da der ursprüngliche Zweck, nämlich die Erschließung der Fa. EuWe als Zufahrt für Schwerlastfahrzeuge weggefallen ist und somit keine Verkehrsbedeutung mehr vorliegt.

 

2. „Langwiesenstraße“

 

Die Langwiesenstraße, Straßenzug Nr. 74 Blatt Nr. 124 wird auf einer Länge von 0,110 km zwischen der Straße Schlachthofplatz und der N/Ö Ecke von FlNr. 1349/1 Gemarkung Lauf eingezogen.

Die Einziehung dieser Teilstrecke erfolgt mit Wirkung der Fertigstellung und Öffnung der neu gebauten Teilstrecke an die Pegnitzstraße, da zu diesem Zeitpunkt die Verkehrsbedeutung des bisherigen Teilstücks verloren geht bzw. vor allem überwiegende Gründe des öffentlichen Wohls dies rechtfertigen.

 

Der Bau- Umwelt und Stadtentwicklungsausschuss hat in der Sitzung am 27.06.2017 die Absicht der Einziehung von Ortsstraßen bzw. eines Teilstücks einer Ortsstraße (Straßenabschnitt) beschlossen. Es handelt sich dabei um die „Entlastungsstraße Industriestraße“ sowie die „Langwiesenstraße“.

Die betroffenen Anlieger beider Straßen wurden rechtzeitig vorher über die geplante Maßnahme informiert und der Beschluss der Einziehungsabsicht wurde gemäß den gesetzlichen Vorschriften am 15.07.2017 öffentlich bekannt gemacht.

 

Die Unterlagen über die jeweiligen Ortsstraßen lagen während des Zeitraums von 3 Monaten zur Einsicht bei der Verwaltung aus. Davon Gebrauch gemacht wurde allerdings während dieser Zeit nicht.

 

Dafür haben sich die betroffenen Anlieger schriftlich bei der Verwaltung gegen die Einziehung ausgesprochen und unterschiedliche Gründe angeführt, die nachfolgend bei den einzelnen Punkten kurz erläutert werden.

 

„Entlastungsstraße Industriestraße“

 

-       Straßenmeisterei Lauf-

 

Die Straßenmeisterei Lauf nutzt die Entlastungsstraße gelegentlich um aus dem Betriebshof in die „Entlastungsstraße“ auszufahren, wenn ein LKW verbotswidrig die Ausfahrt Richtung Industriestraße blockiert.

 

Dies kommt nach Ansicht der Verwaltung sicher nur in den seltensten Fällen vor. Im Bereich vor der Ausfahrt der Straßenmeisterei besteht ein absolutes Haltverbot, so dass im Bedarfsfall die Polizei einschreiten kann. Als begleitende Maßnahme wäre zu prüfen, ob zusätzlich durch Bodenmarkierungen das Haltverbot verdeutlicht werden kann.

 

-       Stockers Backstube-

 

Die Eigentümer erklären, dass die Straße bei Instandsetzungsarbeiten am Gebäude sowie für den Austausch von Silos genutzt wird und deshalb kein Verkauf erfolgen sollte.

 

Das Grundstück ist ausschließlich über die Industriestraße erschlossen, so dass auch keine Zu- oder Abfahrt über die „Entlastungsstraße“ besteht. Die erwähnten Arbeiten können auch über die offizielle Betriebszufahrt in der Industriestraße ausgeführt werden.

Die Fa. EuWe hat in diesem Zusammenhang signalisiert, dass im Falle eines Erwerbs grundsätzlich auf Anfrage eine Zufahrt möglich sei.

 

-       Anubis Tierbestattung-

 

Auch bei diesem Anlieger geht es in erster Linie um die nach eigenen Angaben seltene Möglichkeit, von der Seite der „Entlastungsstraße“ aus größere Gegenstände (z.B. Öltank) in das Grundstück mittels Kran zu heben.

 

Die Erschließung und somit auch die mögliche Bewirtschaftung des Betriebsgrundstücks erfolgt in diesem Fall ebenfalls ausschließlich über die Industriestraße. Eine Zufahrt und somit ein unmittelbarer Zusammenhang zur „Entlastungsstraße“ besteht auch hier nicht.

 

-       Bayerische Staatsforsten-

 

Die Bayer. Staatsforsten haben die Straße bei Arbeiten im angrenzenden Staatsforst gerne als Zu- und Abfahrt genutzt und würden dies nach eigenen Aussagen natürlich gerne auch weiterhin tun.

 

Hier ist jedoch ebenfalls keine zwingende Notwendigkeit zu sehen. Es bestehen im Verlauf des Waldgebietes und im Zuge der Verbindungsstraße nach Schönberg ausreichende Zufahrtsmöglichkeiten für die Waldbewirtschaftung.

 

Die Verwaltung hat die Einwände einzeln betrachtet und abgewogen. Dabei wurde der Schluss gefasst, dass keine der vorgebrachten Begründungen so schwer wiegen, dass der Straßenzug nicht wie geplant eingezogen werden könnte.

 

„Langwiesenstraße“

 

Die Langwiesenstraße soll im westlichen Bereich bis zur Pegnitzstraße verlängert werden, dafür soll im Gegenzug die Straße im östlichen Bereich auf einer Länge von ca. 0,110 km bis zum Endpunkt am Schlachthofplatz eingezogen werden.

 

Die Absicht der Einziehung dieses Teilstücks wurde den Anliegern in einem persönlichen Schreiben mitgeteilt. Gleichzeitig wurde die Einziehungsabsicht entsprechend der gesetzlichen Regelung am 15.07.2017 öffentlich bekannt gemacht.

 

Anwohner der Langwiesenstraße haben sich daraufhin schriftlich gegen die Einziehung ausgesprochen und einen Katalog von Argumenten vorgebracht.

 

Daraufhin wurde von Seiten der Verwaltung eine Anliegerversammlung durchgeführt, bei der alle vorgebrachten Einwände und Argumente einzeln besprochen und erörtert wurden. Mit Schreiben vom 12.10.2017 wurde dies allen Betroffenen noch einmal ausführlich erläutert. Dieses Schreiben ist in Session eingestellt.

 

Bei den Argumenten gegen die Einziehung handelt es sich in erster Linie um optische (Straßengestaltung), organisatorische (Müllentsorgung, Anlieferungen) sowie verkehrstechnische (Parken, Winterdienst, Zu- und Abfahrt usw.) Gegebenheiten. Diese konnten jedoch von der Tiefbauverwaltung widerlegt werden.

 

Art. 8 Abs. 1 BayStrWG nennt zwei mögliche Tatbestände, wann eine Straße ganz oder teilweise eingezogen werden muss.

 

  1. Die Straße hat ganz oder teilweise ihre Verkehrsbedeutung verloren oder
  2. Es liegen überwiegende Gründe des öffentlichen Wohls vor.

 

Nach Auffassung der Verwaltung sind beide Voraussetzungen – nach dem vorgesehenen Umbau der Straße – erfüllt. Die Entscheidung nach Art. 8 Abs. 1 ist keine Ermessensentscheidung, sondern eine sog. gebundene Entscheidung. Die Einziehung ist durch Verfügung der Straßenbaubehörde nach entsprechender weiterer Beschlussfassung durch den zuständigen Bau-, Umwelt- und Stadtentwicklungsausschuss vorzunehmen.

  1. Verlust der Verkehrsbedeutung:

 

Sobald die Langwiesenstraße am bisherigen westlichen Ende eine Einmündung in die Pegnitzstraße erhält, hat der östliche Teil die Bedeutung für die Erschließung der Reihenhausgrundstücke verloren. Der Anschluss aller Grundstücke an das öffentliche Verkehrsnetz ist weiterhin ohne Nachteile weiterhin genauso gewährleistet wie alle anderen Anschlüsse an öffentliche Anlagen wie Gas-, Wasser-, Stromversorgung- oder Abwasserbeseitigung. Alle im östlichen Bereich der Langwiesenstraße verlaufenden Leitungen bleiben entweder bestehen und werden bei einem Verkauf grundbuchrechtlich gesichert oder ggf. verlegt, ohne dass den Eigentümern oder der Allgemeinheit dadurch Kosten entstehen.

 

  1. Überwiegende Gründe des öffentlichen Wohls:

 

Mit der Einziehung und dem Verkauf dieses Teilstücks der Langwiesenstraße an die Firma EMUGE kann eines der bedeutendsten Unternehmen in Lauf a.d.Pegnitz in seinem Bestand weiter gesichert und seine wirtschaftliche Zukunft gesichert werden. Es werden bestehende Arbeitsplätze gesichert und es ist geplant, neue geschaffen, wenn es dem Unternehmen ermöglicht wird, auf dem früheren Gelände der Firma Döbrich & Heckel einen weiteren Neubau zu errichten. Mit der Einbeziehung des fraglichen Teilstücks der Langwiesenstraße ist eine noch bessere Ausnutzbarkeit der dort angrenzenden Firmengrundstücke möglich. In der Kommentarliteratur wird zu dem Tatbestandsmerkmal „überwiegende Gründe des öffentlichen Wohls“ die Auffassung vertreten, dass diese dann vorliegen, wenn z. B. eine Ortsstraße etwa einem Fabrikneubau, durch den der Arbeitsbeschaffung und der allgemeinen Wirtschaftsförderung erheblich gedient wird, weichen muss. Diese Auffassung hat sich das Verwaltungsgericht Würzburg am 20.07.2004 in seinem Urteil Az. W 4 03.1419 zu Eigen gemacht und zu einem analogen Fall die Klage eines Anliegers abgewiesen.

 

  1. Kein Rechtsanspruch auf Gemeingebrauch:

 

Das Verwaltungsgericht führt außerdem in übereinstimmender Rechtsprechung mit dem Bundesverwaltungsgericht und dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof in dieser Entscheidung aus, dass es letztendlich darauf gar nicht ankommt; denn an der Aufrechterhaltung des Gemeingebrauchs an einer Straße besteht kein Rechtsanspruch (zuletzt BayVGH, Beschluss vom 06.10.2011 Az. 8 CS 11.1220). Es verneint folglich eine mögliche Rechtsverletzung des einzelnen Anliegers, wenn eben weiterhin eine Verbindung mit dem öffentlichen Straßennetz überhaupt gewährleistet ist. Es muss auch nicht die Erreichbarkeit des einzelnen Grundstücks mit Kraftfahrzeugen aller Art möglich sein. In den Gründen wird wörtlich ausgeführt:

 

„Nach einfachem Recht steht aber gemäß Art. 17 Abs. 1 BayStrWG den Eigentümern oder Besitzern von Grundstücken, die an einer Straße liegen (Straßenanlieger) kein Anspruch darauf zu, dass die Straße nicht geändert oder eingezogen wird. Sie haben daher eine Einziehung grundsätzlich hinzunehmen.“

 

Zwar gewährleistet Art. 14 Abs. 1 Satz 1 BayStrWG die Benutzung öffentlicher Straßen im Rahmen der Widmung jedermann. Jedoch besteht nach Art. 14 Abs. 3 BayStrWG auf die Aufrechterhaltung des Gemeingebrauchs kein Rechtsanspruch.

 

Der „Anliegergebrauch“ gewährleistet grundsätzlich nur die Zugänglichkeit des Anliegergrundstücks vom öffentlichen Verkehrsraum als solchen, jedoch nach ständiger Rechtsprechung nicht die Aufrechterhaltung einer bestehenden günstigen Zufahrtsmöglichkeit.

Er beschränkt sich auch nicht auf eine spezifische Straßenverbindung unter Ausblendung des restlichen Straßennetzes. Durch die Maßnahme ändert sich lediglich die Zufahrtsituation zu den einzelnen Anwesen aus dem überörtlichen Straßennetz. Der Benutzer einer Straße muss sich mit dem abfinden, was und wie lange etwas an Verkehrsverbindung zur Verfügung steht (BVerfG Urteil v. 10.06.2009 BayVBl 2009, S. 690)

 

Im vorliegenden Fall sind die Anliegergrundstücke auch nach der Einziehung der Teilstrecke weiterhin an das öffentliche Straßennetz angebunden. Die geplante neue Teilstrecke stellt gegenüber dem bisherigen Zustand keinerlei relevanten Einschränkungen der Verkehrsanbindung dar.

 

Damit scheidet unter dem Aspekt des Anliegergebrauchs die Möglichkeit einer Verletzung der Anwohner bzw. Anlieger in subjektiven Rechten aus. Für den Fall einer gerichtlichen Auseinandersetzung (Anfechtung der Einziehungsverfügung vor dem Verwaltungsgericht) werden nach der Rechtsprechung des 8. Senats des BayVGH nur Anlieger des betroffenen Straßenteilstücks klagebefugt sein (Beschluss vom 04.06.1998 Az. 8 ZB 98.281).